Ein Stern ist aufgegangen: Im Gespräch mit Fabian von der Piká Winebar
Einmal um die Welt – und zurück. Den frisch prämierten Sternekoch Fabian Saalfeld aus Ober-Roden hat es in viele Länder geführt. Von den USA bis Australien, von der Schweiz bis Mexiko, von Katar bis Deutschland. Im Oktober 2025 wurde er als Küchenchef für das Restaurant Artis by Tristan Brandt in der Schweiz mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Inzwischen kocht er in Frankfurt. Wir haben ihn in seiner Piká Winebar getroffen und mit ihm über seine Michelin Erfahrung, Herausforderungen, Stromausfälle und Drakes Geburtstag gesprochen.
Du kommst gebürtig aus Ober-Roden – wie bist Du in die Branche gekommen und dorthin, wo Du heute bist?
Ich wollte eigentlich Polizist werden, aber meine Augen sind zu schlecht (lacht). Bei uns wurde immer gut gegessen und ich liebe es, andere glücklich zu machen, Dinge anzufassen und etwas mit den Händen zu erledigen. Ich habe eine Kochausbildung im Sheraton Frankfurt Airport begonnen und bin dann zum Landhaus Hotel Waitz nach Mühlheim-Lämmerspiel gegangen. Meine nächste Station war das Hannibal in Nidderau, wo ich die schöne Möglichkeit hatte, sowohl Landhaus- als auch Gourmetküche zu kochen. Auf der Hotelfachschule in Heidelberg habe ich dann meinen Hotelbetriebswirt draufgesetzt und wichtige Kontakte geknüpft, die mich auch ins Ausland gebracht haben – USA, Katar, Mexiko, Australien. Erst vor zwei Jahren bin ich in die Sterneküche eingestiegen.
Miami, Doha, Mexiko – welche Stationen Deines Werdegangs haben Dich besonders geprägt und warum?
Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 war ich Teil des Caterer-Teams und für die Versorgung eines kompletten Stadions zuständig – vom VIP-Bereich bis zu den Zuschauer:innen. Das war eine ganz besondere Erfahrung. Weil die Stadien sehr schnell hochgezogen worden waren, hatten wir oft keinen Strom oder kein Wasser. Aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen der dortigen Angestellten gab es auch Arbeitsstreiks. Mir wurde dort bewusst, wie privilegiert wir hier sind. Auch Miami war eine prägende Erfahrung. Dort ist alles groß und laut. Es geht um Party und Drogen. Ich habe dort eine Neueröffnung begleitet, das Sexy Fish. Wir haben Asian Fusion gekocht und generell war der Laden ein Erlebnis: Bottle Shows, Live DJ, Gäste wie Lady Gaga oder Partys von Drake, keine Handys erlaubt. Natürlich ist die Kluft zwischen Arm und Reich auch dort sehr groß, in den USA wirst Du nicht so aufgefangen wie hier. Die Zeit in der Schweiz war für mich selbstverständlich auch ganz besonders.
„Bei uns wurde immer gut gegessen und ich liebe es, andere glücklich zu machen, Dinge anzufassen und etwas mit den Händen zu erledigen.“
Für Deine Arbeit im Artis by Tristan Brandt in Arosa hat Dir der Guide Michelin Schweiz den ersten Stern verliehen. Was bedeutet Dir diese Auszeichnung?
Für mich ist es unbeschreiblich. Ich weiß gar nicht, wie ich mich fühlen soll. Jetzt, wo ich nicht mehr im Tunnel bin, ist es ein grandioses Gefühl. Wir haben sehr gezielt darauf hingearbeitet und es ist toll, dass sich die harte Arbeit im Nachhinein gelohnt hat. Es war eine sehr intensive und auch anstrengende Zeit, teilweise waren wir nur zu zweit in der Küche. Da muss man einfach perfekt funktionieren. Über längere Zeit ist das sehr hart. Ich verstehe daher auch jede:n, die oder der sagt, ein Stern ist nicht interessant. Der Druck ist auf Dauer einfach immens hoch.
Fine Dining klingt für viele sehr elitär und kostspielig. Inwiefern definierst Du – und viele junge Köch:innen – das neu?
Es gibt definitiv einen Wandel im Fine Dining. Die Atmosphäre wird lockerer, moderner. Natürlich haben die klassischen Läden ihre Berechtigung. Diese muss es auch geben. Generell hat Sterneküche es jedoch schwer. Die Menschen sind nicht mehr bereit, viel zu zahlen. Der Preis geht immer vor. In Deutschland wird Kulinarik nicht so zelebriert wie in Italien, Frankreich oder Griechenland. Hierzulande möchte man gut und günstig satt werden. Ich finde, man könnte hier in den Schulen gegenwirken. Lebensmittel sollten auf dem Lehrplan stehen. Kinder müssen lernen, wo Produkte herkommen und wie sie aussehen. Das schafft Bewusstsein.
Du bist jetzt Küchenchef in der Piká Winebar, wo Ihr Fine Bites serviert. Worauf kommt es Dir dabei an?
Das Piká ist tagsüber Café, abends Weinbar. Wir sind kein klassisches Restaurant, wir fahren ein Sharing-Konzept. Wir servieren kleine Gerichte, aber keine traditionellen Tapas, sondern spezielle Bites mit einem besonderen Twist. Das ist zum Beispiel nicht einfach Käse, sondern eine Sinfonie von Manchego. Für jede:n ist etwas dabei – natürlich hochwertig. Wir sind also eine Mischung aus Weinbar und Restaurant, wie man es auch in London oder Spanien findet.
„Jetzt, wo ich nicht mehr im Tunnel bin, ist es ein grandioses Gefühl. Wir haben sehr gezielt darauf hingearbeitet und es ist toll, dass sich die harte Arbeit im Nachhinein gelohnt hat.“
Du bist auch Ausbilder. Was möchtest Du jungen Menschen vermitteln und was liegt Dir am Herzen?
Ich möchte vermitteln, dass es sich lohnt, ein Handwerk wie Kochen zu erlernen. Ich möchte auch zeigen, dass es wichtig ist, etwas durchzuziehen und nicht aufzugeben, sobald es kurz wehtut. Natürlich gibt es nicht mehr so strenge Hierarchien in der Küche wie früher. Aber ich hatte sehr strenge Lehrer und das hat mir gut getan. Auch das Verständnis, dass man “nur“ eine Ausbildung hat, sollte sich ändern. Das ist schade. Ich möchte dafür sensibilisieren und halte auch Vorträge in der Berufsschule.
Warum sollte man eine (Koch-)Ausbildung in der Branche beginnen und was muss man mitbringen?
Es ist ein People Business, daher muss man Menschen mögen. Ein Produkt verkauft sich wegen der Menschen, die dahinterstehen. Gäste kommen in einen Laden wegen der Gastgeber:innen. Das Handwerkliche muss einem zudem auch liegen. Ich möchte weitergeben, dass das etwas Wertvolles ist und nicht aussterben darf. Ich finde es unglaublich wichtig, etwas anzufassen, zu erledigen und ein Gefühl für Produktqualität zu entwickeln. Außerdem kann man nach der Ausbildung ins Ausland gehen, überall arbeiten, Geschmack und Menschen kennenlernen. Das ist toll.
Welchen Herausforderungen stehst Du in Deiner täglichen Arbeit gegenüber?
Natürlich stehen wir alle vor finanziellen Herausforderungen aufgrund der sinkenden Zahlungsbereitschaft und der gestiegenen Kosten auf unserer Seite. Auch ist es aktuell schwer, gutes Personal zu finden. Viele Menschen sind sich zu schade für diese Branche und fühlen sich nicht gut behandelt. Da muss man gegenarbeiten. Wir integrieren Menschen aus anderen Ländern oder Geflüchtete. Grundsätzlich ist die Herausforderung, aus wenig immer viel zu erschaffen. Egal, was die Voraussetzungen sind, am Ende muss man Gold daraus machen.
Welchen Rat hättest Du als Einsteiger in der Branche damals gerne bekommen?
Ich hätte im Nachhinein gerne direkt in der Sternegastronomie gestartet. Auch habe ich mir immer einen Meister gewünscht, zu dem ich aufschaue, der mich an die Hand nimmt und mir die Welt zeigt. Leider habe ich nie in einer Person alles gefunden, sondern mir immer von unterschiedlichen Personen verschiedene Dinge abgeschaut. Man lernt mit den Augen sehr viel. Das ist auch mein Rat: mit offenen Augen durch die Küche gehen. Und man sollte niemals aufgeben und etwas durchziehen. Das fehlt in der heutigen Gesellschaft etwas.
Was ist Dein Credo?
Man kann nur aus Scheiße Gold machen, wenn man Scheiße gefressen hat. Damit meine ich, dass man immer erst im Nachhinein merkt, was falsch war. Man muss immer reflektieren.
„Es gibt definitiv einen Wandel im Fine Dining. Die Atmosphäre wird lockerer, moderner.“
Was sind Deine Ziele für die Zukunft?
Ich habe einmal gesagt, wenn ich einen Stern habe, höre ich auf zu kochen. Das möchte ich revidieren. Ich wäre gerne noch zu 50 Prozent in der Küche, möchte Leute anlernen und mein Wissen weitergeben. Außerdem möchte ich im Bereich Private Dining als Private Chef arbeiten und einzigartige Erfahrungen kreieren.
Vervollständige: Wenn ich nicht in der Küche bin,…
…bin ich beim Sport. Ich gehe joggen, Rad fahren, Padel spielen oder ins Fitnessstudio.
„Lebensmittel sollten auf dem Lehrplan stehen. Kinder müssen lernen, wo Produkte herkommen und wie sie aussehen. Das schafft Bewusstsein.“
Wofür steht Frankfurt für Dich und was magst Du an der Stadt?
Als ich im Ausland unterwegs war, hatte ich irgendwann das Gefühl, ich möchte nach Hause. Frankfurt ist bunt, nicht zu groß, nicht zu klein und hat kulinarisch gesehen viel Potenzial.
Deine drei Tipps für Frankfurt?
Das Hopplo im Nordend oder in der Altstadt mag ich gerne. Das Frühstück bei mehlwassersalz ist super. Und das Emma Metzler hat ein tolles Lunch.