Respekt und eine gute Zeit: Im Gespräch mit Frank und Stefan von „wie Daheim“
Aus Liebe zu Gastgebertum und Apfelwein hat Frank Winkler die „wie Daheim“ GmbH gegründet. In vier Läden bringen sein Team und er Frankfurter Kulinarik auf den Tisch – gepaart mit viel Energie, Teamgeist und einem ganz besonderen Flair. Aber wie kommuniziert man erfolgreich im Team? Was hat sich über die Zeit verändert und was sind die Erwartungen heute? Wir haben Frank und Stefan Weinberger, den Restaurantleiter des „Daheim im Lorsbacher Thal“, getroffen und über Wertschätzung, respektvolle Kommunikation, das Coole an der Arbeit und High Fives bei Hochbetrieb gesprochen.
Wie seid Ihr in die Branche gekommen?
Frank: Ich bin quasi mit 14 Jahren in die Branche gekommen, als ich ein sechswöchiges Praktikum im Forsthaus Gravenbruch gemacht habe. Meine Familie hatte den “Schafhof“ in Amorbach, ich war also immer mit der Branche in Kontakt und hatte Spaß daran. Dennoch habe ich dann erst einmal mein Abitur gemacht, studiert und selbstständig im Marketing, in der Kommunikation und im Vertrieb gearbeitet. Ich habe über drei Jahrzehnte Unternehmen beraten, aber irgendwann gemerkt, dass ich meiner eigenen Propaganda nicht mehr auf den Leim gegangen bin. Das war dann der Zeitpunkt, um aufzuhören. Letztendlich bin ich also erst sehr spät ganz und gar in der Branche gelandet.
Stefan: Ich habe auch recht spät, mit 23 Jahren, eine Ausbildung als Restaurantfachmann in der Branche begonnen, um etwas in der Hand zu haben. Zunächst habe ich im “Hessischen Hof“ gearbeitet. Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, mich einzufinden, aber nach einem Jahr ist der Groschen gefallen und es hat mir Spaß gemacht. Über eine Station im “Flemings Hotel“ bin ich dann ins “Caféhaus Siesmayer“ gekommen, wo ich ganze 10 Jahre lang gearbeitet habe. Das hat mich stärker in Richtung Gastronomie und etwas weg von der Hotellerie gebracht, weshalb ich mich dann für das “Daheim“ entschieden habe. Hier bin ich nun seit drei Jahren.
Frank, wie ist die Idee zum “Daheim“ entstanden?
Frank: Als ich meinen vorherigen Beruf verlassen habe, wollten meine Frau und ich eigentlich alles außer Gastronomie machen (lacht). Trotzdem habe ich mich immer für deutsche Küche interessiert und hatte das Gefühl, dass das Angebot hierfür in Frankfurt immer weniger wird. Auch wollte ich immer gerne etwas mit Apfelwein machen – das wurde mir klar, als ich die damalige Frankfurter Apfelweinmesse besucht und sehr viele spannende Produkte gesehen habe. Ganz zufällig war dann 2014 die Location des heutigen “Daheim im Lorsbacher Thal“, unserem ersten Laden, frei und wir haben zugeschlagen. Nach 14 Tagen war der Pachtvertrag unterschrieben. 2019 kam die “Affentor Schänke“ dazu, 2022 die Kleinmarkthalle und 2024 “Daheim bei den Drei Steubern“.
„Verhalte Dich so, wie Du selbst gerne behandelt werden möchtest. Wie würdest Du die Gäste behandeln, wenn sie bei Dir zu Hause wären? “
Stefan, wie viele Teammitglieder habt Ihr aktuell? Wie findet und bindet Ihr Mitarbeitende?
Stefan: Wir haben aktuell 35 Leute in allen vier Locations. Meist finden wir neue Teammitglieder über Kontakte unserer Mitarbeitenden. Dass uns das Team weiterempfiehlt, haben wir uns erarbeitet. Wir sind mit Spaß bei der Sache. Manchmal sind es auch alte Wegbegleiter:innen aus unseren vorherigen Stationen, die uns folgen.
Was ist Euch in der Mitarbeitendenführung wichtig (operativ und strategisch)?
Stefan: Wir legen Wert auf eine gute Kommunikation und auf Teamgeist. Wenn man es mit dem Sport vergleichen möchte, sehe ich mich in meiner Rolle des Betriebsleiters als Spielertrainer, der seine Gruppe zusammenhält und dabei selbst mitspielt. Wenn jemand neu ist, ist es uns auch wichtig, zu vermitteln: Verhalte Dich so, wie Du selbst gerne behandelt werden möchtest. Wie würdest Du die Gäste behandeln, wenn sie bei Dir zu Hause wären? Nicht zuletzt vermitteln wir natürlich auch Spaß an der Sache. Es gibt nichts Schlimmeres als die Vorstellung, dass Menschen mit Magenschmerzen auf die Arbeit kommen. Wir verbringen sehr viel Zeit hier, deshalb sollte es eine gute sein. Wenn wir das im Team verkörpern, wird das auch von den Gästen bemerkt und überträgt sich auf die Stimmung. Teilweise werden wir sogar auf unsere gute Energie angesprochen. Wir arbeiten einfach auf Augenhöhe, und wenn wir uns im größten Stress noch ein High Five geben können – dann ist das perfekt (lacht).
Frank: Es hat sich in der Branche und Gesellschaft in der Art, miteinander umzugehen, viel geändert. Einstellungen haben sich geändert, Menschen haben sich verändert und die Art, miteinander zu kommunizieren, ist eine andere. Es ist nicht mehr die Peitsche, sondern eine Einfühlsamkeit und ein Verständnis füreinander, das zählt. Es geht auch um Wertschätzung. Wenn ich sehe, dass sich das Team über Tage den Allerwertesten aufgerissen hat, machen wir einen Ausflug, es gibt für jede:n eine Aufmerksamkeit – einfach, um zu sagen: “Ich habe Euch und Eure Arbeit wahrgenommen, Danke dafür“. Für mich als Inhaber gehört es in der Mitarbeitendenführung auch dazu, Menschen zu ermöglichen, ihren eigenen Weg zu finden, machen zu lassen und auch mal zuzuschauen, wie Fehler gemacht werden. Das gehört dazu und jede:r hat eigene Lösungsansätze. Stefan macht es zum Glück genau so, wie ich es gerne hätte (lacht).
„An erster Stelle steht der Respekt. “
Ihr habt Euch ausgiebig mit dem Thema Wertschätzung und Sprache beschäftigt. Worauf legt Ihr in der Kommunikation im Team und nach außen Wert?
Frank: An erster Stelle steht der Respekt. Wir haben in unserem Team 14 unterschiedliche Nationen. Das bedeutet, verschiedene soziale Grundstrukturen und Mentalitäten. Ich werde sehr deutlich, wenn ich feststelle, dass in meinem Team nicht respektvoll miteinander umgegangen wird. Eine Spülkraft beispielsweise ist keineswegs das letzte Glied der Nahrungskette. Man kommt einen Abend ohne die Küchenleitung aus, aber keinesfalls ohne das Spülteam. Es ist nicht immer einfach, aber der Ton ist bei uns immer fair. Und das ist wichtig, denn eine raue Umgangsweise ist auch Grund für das Mitarbeitendenproblem in der Branche. Zudem vermeiden wir Begriffe wie Kellner:in, Wirt:in, Kneipe oder sogar Service. Das alles sind Begriffe, die negativ behaftet sind (“Wer nichts wird - wird Wirt“). Die Begriffe entwerten die Berufe, sie transportieren das schlechte Image von früher und das unangemessene Verhalten in der Branche – wer will heute schon Wirt:in oder Kellner:in sein? Deshalb achten wir in unserer Kommunikation sehr darauf, als Gastronom:innen unsere Mitarbeitenden als Gastgeber:in vorzustellen. Vielleicht gelingt es uns so, zukünftigen Kolleg:innen Mut zu machen, in unsere Branche zu kommen.
Stefan: Auch wenn wir es selbst noch anders erfahren haben, möchten wir weg von Hierarchie und der “harten Tour“. Denn man kann seine Werte auch anders vermitteln, sich immer die Frage stellen: Worum geht es uns hier eigentlich wirklich? Die respektvolle Kommunikation im Team leben wir auch vor dem Gast. Obwohl ich mit meinem Team per Du bin, spreche ich es mit Anrede und dem Nachnamen vor dem Gast an, das drückt einfach Wertschätzung aus. Auch den Gästen stelle ich mich persönlich mit Namen vor. Das kreiert Nähe.
„Wir möchten Gäste glücklich machen und machen uns dabei selbst glücklich.“
Was ist das Besondere an der Daheim-Familie?
Frank: Wir möchten Gäste glücklich machen und machen uns dabei selbst glücklich. Wir sind authentisch, aber keine typische Apfelweinkneipe – sondern ein Apfelweinrestaurant. Wir sind nicht ruppig, sondern ein erweitertes Zuhause. Meine Frau und ich haben auf unseren Reisen viel Gastfreundschaft erlebt und meist haben die Orte uns am meisten beeindruckt, an denen die Gastgeber:innen ihren privaten Raum mit uns geteilt und etwas Persönliches reingebracht haben. Das ist auch bei uns der Fall. Ich habe alle Läden persönlich eingerichtet, mit Stücken von unserem Dachboden, Fotos der Inhaber oder meiner eigenen Familie und Kunst, die Gäste uns vorbeibringen. Wir sind das einzige Apfelweinrestaurant mit Teppichen. Sie sehen nicht nur schön aus, sondern dämpfen auch den Schall. Dieses Feeling und Flair machen uns einzigartig.
Stefan: Das Besondere ist das Erlebnis. “Daheim“ bedeutet, zu Gast bei guten Freund:innen zu sein. Diese Geschichte erzählen wir Gästen und Mitarbeitenden. Wir leben Gastfreundschaft und Motivation vor, wir zeigen sie in Mimik und Gestik, wir kümmern uns umeinander und um die Gäste. Wir vermitteln: Schön, dass Du da bist – verbal und nonverbal. Und das ist einfach sehr echt. Gute Laune zu haben, ist jeden Tag eine Entscheidung und ich habe mich vor langer Zeit dazu entschieden, gut gelaunt zu sein.
Frank, in welche Richtung möchtet Ihr Euch weiterentwickeln? Was sind Meilensteine?
Frank: Durch das rustikale Flair unserer Läden ist die Erwartungshaltung meist niedrig. Dann punkten wir umso mehr mit Qualität. Diese Qualität, sowohl am Tisch als auch in der Küche, möchten wir stetig weiterentwickeln. Es reicht, drei Prozent besser als die anderen zu sein – aber immer besser. Gerade dann, wenn man am Anfang für Begeisterung gesorgt hat, ist der Anspruch hoch und man sollte immer wieder einen draufsetzen. Wir arbeiten beispielsweise an den Weinkenntnissen unserer Mitarbeitenden, um unsere Gäste noch zufriedener zu machen. In der Küche arbeiten wir an Rezepturen und den Individualisierungen für unsere Gäste. Quantitativ möchten wir uns ebenso weiterentwickeln: Wie viele Gäste mehr können wir noch bewirten? Können wir vielleicht weiter expandieren?
Warum sollte man eine Ausbildung in der Branche beginnen? Was ist das “Coole“ an Eurer Arbeit?
Frank: Alles steht einem offen. Man kann überall auf der Welt arbeiten und Menschen glücklich machen. Gutes Gastgebertum und gutes Essen funktioniert und schmeckt in jeder Sprache. Es ist eine erfüllende Arbeit. Arbeit wird ja zunehmend verteufelt und als grundsätzlich negativ wahrgenommen. Aber Arbeit, und speziell diese, kann befriedigend sein, Spaß machen und Erfüllung geben.
Stefan: Man tut Gutes und macht Menschen mit Speis und Trank glücklich. Das ist sehr schön. Menschen möchten gesehen und wahrgenommen werden. Das zu vermitteln, ist ein gutes Gefühl.
„Wir leben Gastfreundschaft und Motivation vor, wir zeigen sie in Mimik und Gestik, wir kümmern uns umeinander und um die Gäste.“
Stefan, was ist Euer Credo?
Stefan: Behandle Deine Kolleg:innen so, wie Du selbst behandelt werden möchtest. Und: Es ist so einfach, eine schöne Zeit zu haben – das möchten wir alle.
Was macht die Frankfurter Branche aus?
Frank: Ich begleite viele Ehrenämter in der Branche und muss sagen, dass ich den Zusammenhalt hier als etwas Einzigartiges empfinde. Man ist offen und hilft sich gegenseitig. Ich bin in Chatgruppen mit anderen Gastronom:innen, in denen, wenn nach Lieferanten oder Handwerksbetrieben gefragt wird, innerhalb kürzester Zeit unglaublich viele Antworten aus der Branche kommen. Diese gegenseitige Unterstützung ist sehr schön. Als Verbund von vielen Betrieben, wie der IGF, ist man außerdem sprachfähiger, man wird gehört. Diese Rückendeckung hilft dabei, auf Missstände hinzuweisen und etwas zu verändern.
Eure drei Tipps für Frankfurt (abgesehen vom Daheim)?
Stefan: Ich bin gerne in der Pizzeria oder beim Döner um die Ecke. Auch in den “Adler“ in Ginnheim gehe ich gerne – leckere, bodenständige Küche mit Einflüssen vom Balkan.
Frank: Ich bin gerne in Sachsenhausen unterwegs, zum Beispiel im Bella Donna oder im Weinbistrot Lobster. Aber auch in die Margarete gehe ich gerne.
Wofür steht Frankfurt für Euch? Was macht die Stadt aus?
Stefan: Für Heimat und für eine gewisse Coolness.
Frank: Für Internationalität, aber auch für kompakte Dörflichkeit und eine gewisse Spießigkeit. Frankfurt ist bescheiden, hat wenig Schickimicki. Andere haben das Geld, hier wird es gemacht.